Schwerbehindertengesetz

Historie und Entwicklung

Das Schwerbehindertengesetz, ursprünglich bekannt als „Gesetz zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft“, wurde bis Mitte 2001 verwendet. Am 1. Juli 2001 wurde es durch das Sozialgesetzbuch IX (SGB IX) abgelöst, wobei viele Bestimmungen des alten Gesetzes wortwörtlich übernommen wurden.

Verfassungsgrundlage

Artikel 3 des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik Deutschland besagt: „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.“ Auf dieser Basis wurden nach dem Außerkrafttreten des Schwerbehindertengesetzes zahlreiche Gesetze zum Wohle von Menschen mit Behinderung verabschiedet und weiterentwickelt, darunter:

  • Behindertengleichstellungsgesetz (BGG)
  • Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
  • Bundesteilhabegesetz (BTHG)
  • Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Das Hauptziel dieser Gesetze ist es, gleiche Chancen und ein selbstbestimmtes Leben für alle Menschen zu gewährleisten.

Definition von Schwerbehinderung:

Gemäß § 2 SGB IX gilt eine Person als schwerbehindert, wenn ein anerkannter Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegt.

Regelungen des Sozialgesetzbuches IX (SGB IX):

Das SGB IX setzt Maßnahmen um, um Benachteiligungen von Menschen mit Behinderungen zu verhindern und deren Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern. Es gilt für alle Unternehmen in Deutschland und verpflichtet diese, Schwerbehinderte im Arbeitsleben zu integrieren. Unternehmen, die sich dieser Aufgabe stellen, erhalten umfangreiche staatliche Unterstützung. Arbeitgeber, die keine Schwerbehinderten beschäftigen können, müssen Ausgleichszahlungen leisten, die anderen Förderprojekten zugutekommen.

Verbotene Arbeiten für Schwerbehinderte:

  • Mehrarbeit: Laut § 207 SGB IX können Schwerbehinderte auf eigenen Wunsch von Mehrarbeit freigestellt werden. Mehrarbeit beginnt erst, wenn die gesetzliche Arbeitszeit von 8 Stunden pro Tag überschritten wird.
  • Über- oder Unterforderung: Arbeitgeber sollten sicherstellen, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer weder über- noch unterfordert sind. Regelmäßige Überprüfungen des Arbeitsumfelds sind hilfreich.
  • Sonn-, Nacht- und Feiertagsarbeit: Schwerbehinderte dürfen nicht zu solchen Arbeitszeiten eingeteilt werden, wenn dies ihren behinderungsgerechten Arbeitszeitwünschen widerspricht.

Ziel des Schwerbehindertenrechts:

Das Schwerbehindertenrecht, seit dem 1. Januar 2018 als Teil 3 des SGB IX integriert, fördert die Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am gesellschaftlichen und beruflichen Leben und schützt sie vor Benachteiligungen.

Beschäftigungspflicht für Schwerbehinderte

Regelungen für Arbeitgeber:

Arbeitgeber mit mindestens 60 Arbeitsplätzen müssen 5 % ihrer Arbeitsplätze für Schwerbehinderte bereitstellen. Werden diese Pflichtarbeitsplätze nicht besetzt, ist eine gestaffelte Ausgleichsabgabe bis zum 31. März des Folgejahres an das Integrationsamt zu zahlen.

Beispiele:

  • 100 Arbeitsplätze: Bei 5 besetzten Pflichtarbeitsplätzen ist keine Abgabe fällig.
  • 100 Arbeitsplätze mit 4 besetzten Pflichtarbeitsplätzen: Die Quote liegt bei 4 %, daher wird eine Ausgleichsabgabe fällig.

Ausgleichsabgabe seit 2024:

  • 140 Euro bei einer Quote von 3 % bis unter 5 %
  • 245 Euro bei einer Quote von 2 % bis unter 3 %
  • 360 Euro bei einer Quote von über 0 % bis unter 2 %
  • 720 Euro bei einer Quote von 0 %

Kleinbetriebsregelung:

  • Betriebe mit weniger als 20 Arbeitsplätzen sind von der Pflicht befreit.
  • Betriebe mit 20 bis unter 60 Arbeitsplätzen haben gestaffelte Pflichtarbeitsplätze:
    • 1 Pflichtarbeitsplatz ab 20 bis unter 40 Arbeitsplätzen
    • 2 Pflichtarbeitsplätze ab 40 bis unter 60 Arbeitsplätzen

Beispiele für Kleinbetriebe:

  • 20 bis unter 40 Arbeitsplätze: Keine Besetzung des Pflichtarbeitsplatzes erfordert eine monatliche Ausgleichsabgabe von 140 Euro.
  • 40 bis unter 60 Arbeitsplätze:
    • 1 besetzter Pflichtarbeitsplatz erfordert eine Abgabe von 140 Euro.
    • Keine besetzten Pflichtarbeitsplätze erfordern eine Abgabe von 245 Euro.

Melde- und Zahlungspflicht:

Die jährliche Meldung an die zuständige Agentur für Arbeit und die Zahlung der Ausgleichsabgabe an das Integrationsamt sind bis spätestens 31. März des Folgejahres fällig.

Rechte schwerbehinderter Menschen in der Arbeitswelt

Gemäß § 164 Abs. 4 SGB IX haben schwerbehinderte Menschen gegenüber ihren Arbeitgebern folgende Ansprüche:

  • Beschäftigungsmöglichkeiten: Sie sollen Aufgaben erhalten, die ihren Fähigkeiten und Kenntnissen entsprechen, soweit dies für die Arbeitgeber zumutbar ist und die Arbeitsschutzvorschriften es erlauben.
  • Berufliche Weiterbildung: Schwerbehinderte sollen bei innerbetrieblichen Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung besonders berücksichtigt werden. Auch bei außerbetrieblichen Bildungsmaßnahmen haben sie Anspruch auf Unterstützung im zumutbaren Umfang.
  • Behindertengerechte Arbeitsplätze: Arbeitgeber müssen dafür sorgen, dass die Arbeitsplätze behindertengerecht gestaltet sind.
  • Teilzeitbeschäftigung: Wenn eine längere Arbeitszeit aufgrund der Behinderung nicht möglich ist, haben schwerbehinderte Menschen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung.

Arbeitgeber erhalten für diese Maßnahmen angemessene Unterstützung von der Bundesagentur für Arbeit und den entsprechenden Integrationsämtern.

Pflichten der Arbeitgeber laut Schwerbehindertengesetz

  • Besetzung freier Arbeitsplätze: Arbeitgeber müssen prüfen, ob offene Stellen mit Schwerbehinderten besetzt werden können, insbesondere wenn noch nicht alle Pflichtarbeitsplätze vergeben sind. Dies geschieht meist in Absprache mit der Agentur für Arbeit, die geeignete Schwerbehinderte vorschlagen kann.
  • Diskriminierungsverbot: Nach Artikel 3 GG dürfen Arbeitgeber Schwerbehinderte nicht wegen ihrer Behinderung benachteiligen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz regelt dies im Detail.
  • Behindertengerechte Arbeitsplätze: Arbeitgeber müssen sicherstellen, dass schwerbehinderte Mitarbeiter eine ihren Fähigkeiten entsprechende, möglichst dauerhafte Beschäftigung haben. Der Technische Beratungsdienst des Integrationsamtes bietet hierzu Beratung vor Ort.

Weitere Aspekte des Schwerbehindertengesetzes

Einstellung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

  • Teilzeitbeschäftigung: Schwerbehinderte haben Anspruch auf Teilzeit, wenn eine längere Arbeitszeit aufgrund der Behinderung nicht möglich ist.
  • Prüfung offener Stellen: Arbeitgeber müssen bei der Besetzung offener Stellen prüfen, ob diese für Schwerbehinderte geeignet sind, und die Agentur für Arbeit einbeziehen, die geeignete Kandidaten vorschlägt. Vor der endgültigen Einstellung ist die Schwerbehindertenvertretung zu informieren und ihre Stellungnahme abzuwarten (§ 178 Abs. 2 SGB IX).

Aufgaben der Schwerbehindertenvertretung

Gemäß § 178 Abs. 1 SGB IX hat die Schwerbehindertenvertretung folgende Aufgaben:

  • Förderung der Eingliederung: Sie unterstützt die Eingliederung schwerbehinderter Menschen in den Betrieb oder die Dienststelle.
  • Interessenvertretung: Sie vertritt die Interessen der schwerbehinderten Beschäftigten.
  • Beratung und Unterstützung: Sie steht beratend und helfend zur Seite, überwacht die Einhaltung der Gesetze und beantragt gezielte Maßnahmen, um gesundheitliche Schäden zu vermeiden.

Gleichstellung mit Schwerbehinderung

  • Antrag auf Gleichstellung: Betroffene können bei der Agentur für Arbeit die Gleichstellung beantragen.
  • Voraussetzungen: Personen mit einem Behinderungsgrad zwischen 30 und unter 50 können gleichgestellt werden, wenn sie ohne Gleichstellung keinen angemessenen Arbeitsplatz finden würden.
  • Schutz vor Kündigung: Gleichgestellte Personen sind bis zu einem gewissen Grad vor Kündigung geschützt, haben aber keinen Anspruch auf Zusatzurlaub.

Schwerbehindertenvertretung im Betrieb

  • Wahl der Vertrauensperson: In Betrieben und Dienststellen mit mindestens fünf schwerbehinderten Beschäftigten, die länger als sechs Monate dort arbeiten, muss eine Vertrauensperson und mindestens ein stellvertretendes Mitglied gewählt werden (§ 177 Abs. 1 SGB IX).

Fragen nach der Schwerbehinderung bei der Einstellung

  • Zulässigkeit: Arbeitgeber dürfen Stellenbewerber nicht nach einer eventuellen Schwerbehinderung fragen. Schwerbehinderte sind nicht verpflichtet, ihre Behinderung zu erwähnen, es kann jedoch vorteilhaft sein, dies im Vorstellungsgespräch zu tun.
  • Kündigungsschutz: Schwerbehinderte sollten ihren Arbeitgeber spätestens nach Ablauf der Sechs-Monats-Frist über ihre Behinderung informieren, um den besonderen Kündigungsschutz zu genießen (§§ 168-175 SGB IX und § 173 SGB IX).

Schutz und Kündigung

Das Schwerbehindertenrecht schützt schwerbehinderte Menschen im Arbeitsleben vor Diskriminierung und Benachteiligung. Dennoch sind sie nicht unkündbar, genießen aber besondere Schutzrechte.